Salzwissen

Weißes Gold?

4 Jul, 2022

Reines Steinsalz ist farblos, klar und durchsichtig. Es kommt aber auch vor in roten, weißen, grauen, blauen und violetten Farbtönen. Die heutzutage häufig anzutreffende Behauptung, Salz würde traditionell weißes Gold genannt worden sein, ist jedoch nicht wahr. Zumindest kenne ich kein historisches Dokument, was dies belegen würde. Lieber Leser, wenn Sie eine Quelle haben, dann bitte schön, lassen Sie es mich wissen! Richtig ist jedenfalls, daß in alten Zeiten – das heißt, vor der industriellen Salzproduktion – der Salzpreis höher war als heute. Salz war sehr kostbar, aber bei weitem nicht mit Gold zu vergleichen. Der Beginn des industriellen Zeitalters und der damit verbundene wachsende Bedarf an Glas und später der an Kunststoffen steigerte den weltweiten Salzbedarf um ein Vielfaches, denn Salz ist ein äußerst wichtiger chemischer Grundstoff. Aber nur der bergmännische Abbau (im Gegensatz zum nassen Abbau) konnte die geforderten Mengen garantieren.

In Europa waren seit dem Mittelalter insbesondere drei Orte bekannt für bergmännischen Salzabbau in großem Stil: Polen, Siebenbürgen und Katalonien. “Bergmännisch” heißt mechanische, trockene Salzgewinnung im Gegensatz zum nassen Abbau. In kleinen Mengen hatte man auch beispielsweise in Hallein und in Berchtesgaden trocken Salz abgebaut, zusätzlich zum dortigen nassen Abbau. Dort nannte man das „Kerndeln“, also das Kernsalz mechanisch herausholen. Laut den Archäologen hatten in der Antike die Alten Kelten, beziehungsweise deren Vorfahren, in Hallstadt im dortigen Salzberg und später in Hallein im Dürnberg das Salz interessanterweise nicht naß, sondern trocken, also bergmännisch gewonnen. Damit sich das wirtschaftlich lohnte, brauchte man freilich genügend Salzadern von entsprechend hoher Reinheit.
Woanders hatte man das Salz überall entweder aus Meerwasser gewonnen oder – ganz besonders in Deutschland – aus Sole, die entweder aus einer Solquelle stammte oder durch Aussolung aus einem Bergwerk kam. Der nasse Salzabbau konnte jedoch nicht mehr die von der Industrie geforderten Mengen liefern. Daher begann man schließlich auch in Deutschland mit der industriellen bergmännischen Salzgewinnung und zwar 1857 in Staßfurt. Viele Jahrhunderte hatte man durch Aussolung Salz gewonnen. Die aus Bergwerken gewonnene oder in natürlichen Solquellen vorkommende Sole wurde in Gradierwerken weiter angereichert (der Grad des Salzgehaltes erhöht, "gradiert") und anschließend in Siedepfannen verdampft und so das Salz auskristallisiert. Jetzt war aber aufgrund der Industriealisierung der Salzbedarf so enorm angestiegen, daß er nicht mehr mit dieser Methode gedeckt werden konnte. Bergwerk um Bergwerk wurde für den bergmännischen Abbau aufgemacht. Daher ist dann auch der Preis gesunken. Das Tafelsalz heute im Supermarkt ist sozusagen ein Nebenprodukt für den industriellen Salzbedarf und kostet daher freilich deutlich weniger als vor der Industriealisierung.

Salz war früher zwar teuer, aber bei den Gewürzpreisen stand es auch in alten Zeiten an letzter Stelle. Schwarzer Pfeffer, Gewürznelken, Muskatnüsse oder Safran waren viel teurer. Das gilt für die Antike, das Mittelalter und die Neuzeit gleichermaßen. Safran ist heute immer noch mit Abstand das teuerste Gewürz. Man erzählt sich, daß, als Alarich (um 370-410) mit seinen Goten im Jahre 408 vor den Toren Roms stand, sich die Römer freikaufen konnten mit einer Tributzahlung, in der auch 3000 Pfund Pfeffer dabei gewesen sein sollen. Tatsächlich war es Pfeffer, der im Mittelalter zeitweilig mit Gold aufgewogen wurde. Der Ausdruck Pfeffersack bezeichnete einen Händler, der durch den Handel mit Pfeffer reich wurde. Ergänzend sei hier noch bemerkt, daß im Mittelalter Pfeffer ein Sammelbegriff für exotische Gewürze war.

Weißes Gold wurde nicht das Salz, sondern das Porzellan genannt. Der sächsische Kurfürst und König von Polen, August der Starke (1670-1733), hat den Alchemisten Johann Friedrich Böttger (1682-1719) beauftragt Gold herzustellen. Dieser hatte nämlich tatsächlich damit geprahlt wertlose Materialien in Gold umwandeln zu können. Er wurde von August dem Starken eingesperrt, ausgerüstet kurfürstlicherseits mit dem modernsten Laboratorium, das man sich für die damalige Zeit vorstellen kann, einzig mit dem Ziel, Gold zu machen. Heraus kam zwar kein Gold, aber Porzellan! Unabhängig von den Chinesen, die es schon Jahrhunderte vorher erfunden hatten, aber die Prozedur der Herstellung geheim hielten, hatte Böttger das Porzellan erfunden. Und dieses Porzellan war von reinstem Weiß und wurde schließlich als Meißner Porzellan weltberühmt und für Sachsen der Exportschlager schlechthin – eben das weiße Gold.

Nichtsdestotrotz ist Salz freilich in Wahrheit tausendmal wertvoller als Gold. Schön wurde das niedergeschrieben von einem leider unbekannt gebliebenen Autor aus dem 18. Jahrhundert. Die Inschrift findet sich tief unten im Besucherbergwerk Merkers in Thüringen:
"Bleibt dahero eine ohnbetrügliche Wahrheit, daß das Saltz ein wahres Element und der allerhöchste Schatz der Welt seye, welchem weder Gold, Silber noch Edelgesteine zu vergleichen, die meistens aus der eitlen imputation der Menschen, ihren Werth und Hochachtung bekommen, und Theils gar keinen, Theils in Vergleichung mit dem Edlen Saltz, einen zimlich geringen Nutzen in dem Menschlichen Leben beytragen, dahingegen die gantze Natur ihr Leben, Krafft, Wachsthum und Erhaltung dem lieben Saltz zudancken hat."